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(Kein) US-Exil für die jüdische Familie Klein aus Walldorf – eine Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen 1938

Vor 85 Jahren, am 9. November 1938, trugen sich in Heidelberg und vielen anderen deutschen Städten schreckliche Ereignisse zu – die Nacht sollte als Pogromnacht in die Geschichtsbücher eingehen. Jüdische Einrichtungen, Gebäude und Häuser wurden von Nationalsozialisten gestürmt und zerstört, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit misshandelt und verhaftet.

Am Donnerstag, den 9. November 2023, Jahrzehnte nach der von den Nationalsozialisten euphemistisch benannten „Reichskristallnacht“ fand nun in der ehrwürdigen Alten Aula der Universität eine Veranstaltung zur Erinnerung an diese grausamen Übergriffe und zum Gedenken an die unschuldigen Opfer statt.


Initiatoren waren das Heidelberg Center for American Studies (HCA), die Universität Heidelberg und das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium. Dr. Michael Alperowitz, Rektor des Kurfürst-Friedrich-Gymnasiums, Bürgermeisterin Stefanie Jansen, Holger Schultze, Intendant des Theaters der Stadt Heidelberg, und Welf Werner, Direktor des Heidelberg Center for American Studies, richteten ein kurzes Grußwort an die Anwesenden, in dem sie vor allem dazu aufriefen, die damaligen Ereignisse nicht zu vergessen, damit sie sich nie wieder wiederholen würden. Aus den USA waren Mitglieder der Familie Klein angereist, einer damals von den Übergriffen betroffenen kurpfälzischen Familie, um anlässlich der Pogromnacht ein Signal gegen Unmenschlichkeit und Barbarei zu senden. Dr. Michael Alperowitz berichtete uns gegenüber: „Als Frau Jansen mich anrief und fragte, ob das KFG Teil dieser Veranstaltung werden wolle, war meine spontane Reaktion: Ja, das wollen wir!“ Damals sei noch unklar gewesen, wie eine solche Veranstaltung organisiert werden sollte, aber Dr. Alperowitz war sich sicher, dass das KFG unbedingt daran mitwirken sollte.

Die Gedenkstunde begann mit dem Stück „Anu olim“ von Viktor Ullmann, welches vom Chor des KFG unter der Leitung von Burkhard Hildebrandt dargebracht wurde. Nach einem zweiten Stück von Viktor Ullmann („Du sonst nischt gejn“) wurde das Schicksal der Familie Klein aus Walldorf exemplarisch für viele jüdische Menschen anhand zahlreicher Briefe beleuchtet, die sich Eltern und Kinder gegenseitig schrieben.


Familie Klein bestand damals aus fünf Mitgliedern (Mutter Alice, Vater Ludwig und den drei Kindern Irmgard, Kurt und Max) und war eine ganz normale bürgerliche Familie der 1930er Jahre. Als das Leben für Menschen jüdischen Glaubens immer schwieriger wurde, schickten Alice und Ludwig ihre Kinder in die USA, um sie vor den Nationalsozialisten zu schützen und sie in Sicherheit zu wissen. Von dort aus versuchten Max, Kurt und Irmgard immer wieder, ihren Eltern die Einreise in die USA zu ermöglichen. Aufgrund der Bedingungen, die die USA für die Einreise stellten (Flüchtlinge sollten dem Staat finanziell nicht zur Last fallen, es gab nur geringe Kontingente und Schwierigkeiten bei der VISA-Beschaffung), gelang dies allerdings nicht und Ludwig und Alice wurden 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Viele dieser Briefe, die die einzige Kontaktmöglichkeit für die Familienangehörigen darstellten, sind erhalten geblieben und wurden von Schülerinnen und Schülern des KFG unter Leitung von Dr. Lea Marquart studiert. Ausgewählte Dokumente wurden von den Jugendlichen und zwei Mitgliedern des Heidelberger Jungen Theaters (Hannah Hupfauer und Rachid Zinaladin) vorgelesen und ergaben ein Bild von den verzweifelten Versuchen der Familie, die Eltern in Sicherheit zu bringen. Für die Anwesenden entstand eine Ahnung von der Situation, den Ängsten, Hoffnungen und Sorgen, denen diese Menschen ausgeliefert waren. Begleitet wurde das Verlesen mehrerer Briefe von kurzen erklärenden Vorträgen über die historischen Hintergründe durch Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe des KFG Heidelberg.


Die 90-minütige Veranstaltung nahm ihr Ende mit dem Lied „Bei mir bist du schön“ von Jacob Jacobs, Sholom Secunda, Sammy Cahn und Saul Chaplin. Inszeniert wurde das Stück von der Lehrer-Schüler-Combo des KFG.

Jennifer Klein, die aus den USA angereiste Enkeltochter von Kurt Klein, zeigte sich im Anschluss sehr bewegt von der Veranstaltung. Sie schilderte uns gegenüber, wie sehr sie sich darüber freue, dass ihre Familie im Rahmen einer solchen würdigen Veranstaltung geehrt werde. An der Erinnerungskultur der jüngeren Generationen liege es, dass die damaligen schrecklichen Ereignisse auch nach Jahrzehnten nicht in Vergessenheit gerieten und so zur Mahnung ankommender Menschen dienten.

Moira Simon