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Ein Stolperstein für Bruno Oppenheimer

Ein Projekt der 9. Klassen

Die Stolpersteine sind ein über ganz Deutschland verbreitetes Mahnmal und Kunstwerk des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Es handelt sich um Pflastersteine mit einer Messingplatte, in die der Name eines Menschen eingraviert ist, der im Nationalsozialismus ermordet, deportiert oder verfolgt wurde. Stolpersteine werden auf dem Gehsteig vor dem letzten freiwillig gewählten Wohnort verlegt, an dem diese Menschen bis zu ihrer Deportation wohnten. Passanten sollen im übertragenen Sinn über diesen Stein „stolpern“ und auf diese Weise darauf aufmerksam werden, dass hier ein Mensch lebte, dessen Leben von den damaligen Machthabern zerstört wurde. Einigen der ungezählten Opfer des Nationalsozialismus soll auf diese Weise ihr Name zurückgegeben werden.

Seit 2010 werden in Heidelberg jedes Jahr solche „Stolpersteine“ verlegt, 2012 auch ein Stein, der an den 36-jährigen Bruno Oppenheimer erinnert, der mit seiner Familie in der Sophienstraße 1 wohnte, im sogenannten Sophienhaus, das heute Teil unserer Schule ist. Täglich gehen hunderte Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen, Lehrerinnen und Lehrer sowie Passanten an der Tür des Sophienhauses vorbei, um in Räumen zu lernen, in denen  eine jüdische Familie gelebt hat, die zu den Opfer des nationalsozialistischen Regimes zählt.

Bruno Oppenheimer wurde 1904 als viertes Kind der jüdischen Familie Oppenheimer geboren. Er war von Geburt an taubstumm und kam mit 18 Jahren als geistig Behinderter in die Heil- und Pflegeanstalt Kork (bei Kehl). Seine Eltern wurden 1940 wie fast alle Heidelberger Juden in das Lager Gurs in Frankreich deportiert, er selbst wurde zunächst nach Stetten im Remstal verlegt und kam von dort aus im Rahmen der nationalsozialistischen T4-Aktion in die Tötungsstätte Grafeneck auf der Schwäbischen Alb, wo er wahrscheinlich noch am Tag seiner Einlieferung ermordet wurde. Die Zentrale dieser systematischen und staatlich organisierten Morde an Menschen mit Behinderung befand sich in der Berliner Tiergartenstraße 4 (= T 4). Insgesamt fielen etwa 70.000 geistig oder körperlich behinderte Menschen zwischen 1940 und 1941 dieser menschenverachtenden Aktion zum Opfer.

Die Schülerinnen und Schüler des KFG haben sich aus der Betroffenheit und der Überzeugung heraus, dass vergangenes Unrecht nicht aufgehoben aber beim Namen genannt werden kann, dazu entschlossen, die Patenschaft für einen Gedenkstein für Bruno Oppenheimer zu übernehmen.
Diese Patenschaft bedeutet für die Jugendlichen viel Arbeit und die Übernahme von Verantwortung: Sie erforschen anhand von Fachzeitschriften und dem Heidelberger Adressbuch von 1880 bis 1944 das Leben und die verschiedenen Wohnsitze der Familie Oppenheimer, nahmen Kontakt mit dem Stadtarchiv und der Gedenkstätte Grafeneck auf. Es entstanden Texte, die am Tag der Verlegung in einer Broschüre der Stolpersteininitiative veröffentlicht wurden. Zur Übernahme einer Patenschaft gehört auch, dass 120 Euro (Kosten für den Stein) gesammelt werden. Im Rahmen des Projektes wurden bereits viele gehaltvolle Diskussionen über die Zeit des Nationalsozialismus und die Verknüpfung der Nachgeborenen mit diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte geführt.
Bei ihrer Arbeit erhalten die Schülerinnen und Schüler vielfältige Unterstützung, zum Beispiel der Stolpersteininitiative Heidelberg oder Frau Dr. Rotzoll (wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg).
Im Projekt „Ein Stolperstein für Bruno Oppenheimer“ erlebten die Schülerinnen und Schüler Geschichtsforschung „live“. Die Jugendlichen erfuhren, dass die Vergangenheit nicht einfach vorbei ist, sondern auf vielfältige Weise in die Gegenwart hineinwirkt. Diese Erkenntnis ist eine grundsätzliche, denn nur auf einer solchen Basis kann Zukunft gestaltet werden!

Dr. Annegret Lösener